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Sprachliches

Eine nicht nur sprachphilosophische Erwägung

Reine Objektsprache ist eine hermeneutische Unmöglichkeit, und darum ist man als konkrete Einzelperson bei allen sprachlichen Gruppenbezeichnungen immer nur mit-gemeint – auch und gerade wenn und weil keine explizite Namensnennung vorgenommen wird. Jegliche Varianten der sog. „Gender-Sprache“ stehen ihrer Funktion nach insofern äquivalent zum generischen Maskulinum, und aus diesem Grund müssen weitere Kriterien berücksichtigt werden, um die Entscheidung für einen konkreten Sprachgebrauch zu treffen.

Zwei wesentliche Kriterien dafür sind a) die Sprach-Ökonomie, sowie b) die Sprach-Tradition.

Sprach-ökonomisch liegt der Vorteil klar beim generischen Maskulinum, das durch seine Kompaktheit schlicht sparsamer und wirtschaftlicher ist als alle Varianten mit Binnen-I, Doppelpunkt, Sternchen oder Unterstrich. Einzige Ausnahme: Das sog. „Ent-gendern“, das sämtliche personal verwendeten Substantive als Neutrum mit der Endung -y setzt, jedoch in der Praxis – zumindest aktuell –  seltsam komödiantisch wirkt.

So kommt schließlich das zweite wesentliche Entscheidungskriterium zum Tragen, die Sprach-Tradition: und in dieser hat das generische Maskulinum aufgrund seiner Verwurzelung in der Standardsprache zumindest heutzutage den Vorteil.

Der langen Rede kurzer Sinn: Darum kann man nach wie vor mit gutem Gewissen das generische Maskulinum verwenden.

Heruntergebrochen heißt das:

  • Ontologisch, epistemologisch, phänomenologisch:
    keine Objektsprache, sondern generische Ausdrücke
  • Funktional:
    Äquivalenz zwischen generischem Maskulinum und „Gender-Sprache“
  • Ökonomisch:
    Äquivalenz zwischen generischem Maskulinum und „Ent-gendern“
  • Traditionsbezogen:
    Vorteil für das generische Maskulinum

Eine nicht nur sprachpsychologische Erwägung

Dass eine konkrete Sprachwahl auch psychologische Auswirkungen haben kann, darf m.E. als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden. Dabei stellt die als „geschlechtergerecht“ bezeichnete Sprachpraxis einen Sonderfall innerhalb eines allgemeineren Sachverhalts dar, und das sog. „Gendern“ (als Sammelbegriff für diverse Ansätze, um biologische Geschlechter, soziologische Geschlechterrollen und psychologische Geschlechtsidentitäten einheitlich in grammatische Genera zu übersetzen) steht in Analogie zur Wahl bestimmter Wörter (z.B. „Flugbegleiterin“ statt „Stewardess“) bzw. eines bestimmten Framings (z.B. stärken-orientierte statt defizit-orientierte Beratung).

Das Werturteil, ob die o.g. psychologischen Auswirkungen als positiv oder nicht positiv eingestuft werden, hängt dabei sehr stark von der Zielstellung ab. Hier gilt es gerade dann, wenn z.B. die Berufswahl einer anderen Person betroffen ist, auch abzuwägen: Führt die konkrete Sprachwahl dazu, dass die andere Person bei der Berufswahl in ihrer Selbstverwirklichung unterstützt wird, oder führt es dazu, dass über die sprachlich vollzogene Beeinflussung der Berufswahl wirtschafts- und beschäftigungspolitische Vorgaben (besser) erreicht werden können?

Im Idealfall korrespondieren Selbstverwirklichung und wirtschafts-/beschäftigungspolitischer Nutzen miteinander (bspw. durch die Vermittlung von intrinsisch interessierten/motivierten Mädchen in traditionell männlich kodierte Engpassberufe), doch das ist nicht immer und vor allem nicht notwendig so – und im schlimmsten Fall stehen sich hier Selbstbestimmung (Selbstverwirklichung) und Fremdbestimmung (Vorgabe) in offenem Konflikt gegenüber. Hier kann die jeweilige Sprachwahl sogar die Funktion einer Waffe erhalten, insofern die andere Person latent oder manifest in eine bestimmte Richtung gedrückt wird.

Wenn das generische Maskulinum – als besondere Variante einer o.g. Sprachwahl – unterschwellig als ausgrenzend empfunden wird, dann gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Beide Möglichkeiten schließen einander nicht notwendig aus, stehen aber in einer gewissen Spannung zueinander:

  • einmal ein eher psychologisch grundierter und auf die Umstände gerichteter Ansatz, der durch eine Veränderung der besonderen Sprachwahl intuitiv empfundene Ausgrenzung zu vermeiden sucht;
  • zum anderen ein eher pädagogisch grundierter und auf die Sprachphilosophie gerichteter Ansatz, der durch Reflektion der Sprache als solche die Ausgrenzung dekonstruiert und damit realiter auch abbauen kann.

Es stimmt, dass Diskriminierung durch ein paar Grammatikregeln nicht aus der Welt geschafft wird; damit besitzt der psychologisch grundierte Ansatz ein gewisses Defizit, auch weil das intuitive Empfinden von Person zu Person unterschiedlich ist. Sich nur auf eine Anpassung der jeweiligen Sprachwahl zu fokussieren, kann infolge dazu führen, dass diskriminierende Strukturen zwar weiterhin bestehen, aber sprachlich unsichtbar gemacht werden.

Insofern kann es sinnvoll sein, die Differenzierung zwischen sprachlichem Genus, natürlichem Geschlecht und sozialer Geschlechterrolle bzw. psychologischer Geschlechtsidentität angemessen zu reflektieren und eben gerade keine automatischen Verbindungen zwischen diesen Elementen anzunehmen bzw. intuitiv als automatisch empfundene Verbindungen (z.B. zwischen grammatischem Genus und sozialer Geschlechterrolle: „alle Kanalarbeiter sind Männer“) bewusst zu reflektieren, aufzudecken und auf diese Weise zu dekonstruieren.

In diesem Sinne kann der Gebrauch des generischen Maskulinums eine durchaus positive Funktion erfüllen und Ausgrenzung gerade dadurch abbauen, dass zwischen der Wirklichkeit und ihrer sprachlichen Abbildung bewusst differenziert wird: So wird nämlich von vorn herein vermieden, auf die hermeneutische Unmöglichkeit einer Objektsprache zu setzen bzw. die gesamte Wirklichkeit auf den menschlichen Sprachakt zu reduzieren. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist freilich anzuerkennen, dass Sprache als menschliches Kommunikationswerkzeug die Wirklichkeit nicht restlos umfassen und abbilden kann, sondern dass die Sprache immer nur einen Teil der Wirklichkeit darstellt.

Das betrifft am Ende auch und vor allem die Verwaltungsethik und damit die Arbeit einer Behörde insgesamt: Der Anspruch, dass nur das gemacht sei, was auch dokumentiert ist, setzt streng genommen nämlich Wirklichkeit und (dokumentierten) Sprachakt identisch und kann in ebenjene Mechanismen führen, die eine automatische Verbindung zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht vorschreiben (wollen).

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