Paris (AFP) – Weniger als eine Woche vor dem Referendum zur EU-Verfassung in Frankreich liegen die Gegner des Textes in Umfragen weiter vorn: Der jüngsten Befragung des Instituts Ipsos für den Pariser „Figaro“ und den privaten Radiosender Europe 1 zufolge sind am Sonntag nur 47 Prozent Zustimmung zu erwarten, während 53 Prozent mit Nein stimmen wollen. Es ist die achte Umfrage in Folge, bei der die EU-Verfassungsgegner vorne liegen. Ihr Vorsprung wuchs gegenüber der Ipsos-Umfrage aus der Vorwoche um zwei Punkte.
Es scheint ganz so, als würde das Vorhaben „EU-Verfassung“ tatsächlich an Frankreich scheitern, was natürlich ein schwerer Schlag für alle trivialistischen Euronationalisten in Brüssel, Berlin, Paris und dem sonstigen Unionsgebiet wäre. Das heißt, es wäre ein verfrühter Schlag für jene Horde – schließlich wird in Großbritannien auch ein Referendum über den Verfassungsvertrag abgehalten. Und die Inselbewohner sind nicht gerade für ihren Euroenthusiasmus bekannt. Schließlich gilt dort bis heute noch die eigene Nationalwährung.
Es wäre an dieser Stelle auch sinnlos, über die Vor- und Nachteile des Verfassungsvertrags zu sinnieren, denn schließlich haben Statler & Waldorf schon vor einiger Zeit eine recht gute Kritik am Vertragswerk vorgelegt. Was hier noch einmal angesprochen werden soll, ist der Ratifizierungsprozess, den dieses voluminöse Werk (in seiner Gesamtheit ca. 300 Seiten) zu durchlaufen hat – mit einem speziellen Blick auf Deutschland.
Erneut soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass in Deutschland kein Volksentscheid darüber abgehalten wird, ob man diesen dann doch völkerrechtlichen Vertrag annehmen oder ablehnen möchte. Die linke Fraktion, die sich zu Oppositionszeiten so vehement für eine Volksgesetzgebung eingesetzt hat, bleibt stumm, so dass einer aus den Reihen des ärgsten Erzfeindes, nämlich aus der Partei, die das Siegel von Franz-Josef Strauß trägt, namentlich Peter Gauweiler, den Vorstoß auf seine Kappe nehmen musste.
Wo waren am 12. Mai die Kundgebungen gegen einen Brüsseler Imperialismus, dessen Ablehnung durch den Souverän, durch das Volk nämlich, geschickt abgewandt wurde, als der Bundestag mit einem Ergebnis, das man sonst nur in Diktaturen vorfindet, darüber abgestimmt hatte? Wo werden sie denn am 27. Mai sein, wenn es wohl so ähnlich in der zweiten Kammer ablaufen wird? Sie werden sich wahrscheinlich zu Hause, im sozialen Europa, seelenruhig die Eier schaukeln und froh sein, dem kalten und unmenschlichen Wettbewerb des us-amerikanischen Raubtierkapitalismus die Stirn geboten zu haben. Dass dabei auch ein Teil der eigenen Mündigkeit abgegeben wurde und wird – who cares? Die neue Verfassung garantiert schließlich ein Recht auf Arbeit; weswegen sie wohl vor allem in Ostdeutschland und in Nordrhein-Westfalen mit offenen Armen begrüßt werden dürfte. Zumindest so lange, bis neue Mitgliedsstaaten die eigenen Subventionen für sich beanspruchen.
Aber für einen EU-einheitlichen Ratifizierungsprozess in Form eines EU-weiten Bürgerentscheids (dessen Vorstufe, nämlich die Bürgerinitiative, das Vertragswerk ironischerweise zulässt) wäre wohl der Aufwand zu groß, die Präambel noch zu ändern – vor allem im Angesicht der immensen Kosten, die beispielsweise der Logowechsel des Arbeitsamtes der Bundesagentur für Arbeit verschlungen hat.
Präambel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika:
We the People of the United States […]
Präambel zur Verfassung der (5.) Französischen Republik:
Le peuple français proclame solennellement […]
Präambel zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen […] hat sich das Deutsche Volk […]
Präambel zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft:
Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone […]
Präambel zum Vertrag über eine Verfassung für Europa:
Seine Majestät der König der Belgier […]
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