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Liberales Korrektiv?

Kollege Martin Hagen hat in seinem Weblog auf zwei Artikel (#1, #2) aufmerksam gemacht, die sich um die Haltung verschiedener Politiker bzw. Parteien (namentlich wären das Gerhard Schröder, der Friedenskanzler, und die CDU/CSU) zum Thema Stammzellenforschung drehen.

Dabei schrieb er mit dem Blick auf ebenjene Artikel, darauf zu hoffen, dass die Union bei der eventuellen Neuwahl im September doch nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erreiche. Und weiterhin meinte er, damit dürfte klar sein, warum CDU/CSU dringend auf ein liberales Korrektiv angewiesen seien.

Sehr interessant an dieser Diskussion sind vor allem die scheinbar ungewöhnlich verteilten Rollen: während die FDP hier mit dem Regierungschef auf einer Länge schwimmt, stellen sich Union und (tatsächlich) die Grünen dagegen. Verkehrte Welt? Im Gegenteil. Von den Grünen sind wir ja schon fortschrittsfeindliches Verhalten gewohnt und auch die vermeintlich konservativen Reaktionisten haben nicht allzu oft etwas mit scheinbar Bahnbrechendem am Hut. Auf der anderen Seite handelt die FDP, als Partei des Fortschritts, genau nach ihren Prinzipien und Gerhard Schröder ist wie gewohnt der Staatsmann, der der Chance eine Chance geben möchte.

Die Frage in dieser Diskussion geht aber weitaus tiefer als nur darum, was man mit diesem Forschungszweig wissenschaftlich erreichen kann. Es ist tatsächlich eine Frage des Menschen- und Weltbildes.

Das grüne Weltbild dürfte schnell erklärt sein: während man auf der einen Seite den Machbarkeitswahn verteufelt und somit gegen eine Liberalisierung der Stammzellenforschung ist, setzt man sich andererseits aber für das „natürliche“ Recht der Frau auf Abtreibung ein. Kurzum: es ist paradox.

Die Anschauung von FDP und den Menschen der Kategorie Gerhard Schröder (immerhin einmal ein hohes Tier bei VW) fällt in die Sparte des Materialismus. Auf eine stupide Parole simplifiziert: Was der Wirtschaft dient, das ist gut. Oder anders: Ökonomisierung des Lebens. So in diesem Fall. Nicht umsonst wird deshalb ins Feld geführt, man solle lieber jetzt preisgünstig forschen, anstatt zu späteren Zeiten die in anderen Ländern gewonnen Erkenntnisse teuer zu erstehen. Simple Gewinnoptimierung (die an und für sich ja nicht schlecht ist). Die Frage, ob denn nicht noch weiterer Spielraum in der aktuellen Gesetzeslage (beispielsweise die Intensivierung der Forschung an adulten Stammzellen bzw. Stammzellen aus der Haut) bestünde, stellt sich aber im Angesicht eines neuen potentiellen Forschungszweiges erst garnicht. Der Mensch hat für die Forschung da zu sein und nicht umgekehrt.

Die Union hingegen lässt hier, unglaublich aber doch wahr, tatsächlich noch einen letzten Rest ihres auf dem Papier bestehenden abendländischen Weltbildes durchschimmern. Dieses Weltbild setzt den Menschen in den Mittelpunkt. Es sagt aus, dass alle Menschen ausnahmslos gleichwertig sind. Und daher haben alle Menschen die gleichen, ja sogar dieselben Rechte (i.e. Freiheiten). Eines davon ist beispielsweise das Recht auf Leben. Ein anderes ist die Menschenwürde. Beides wird aber durch die embryonale Stammzellenforschung gebrochen. Denn diese Art der Forschung hat als Gegenstand eine bereits befruchtete Eizelle, i.e. (sogar nach Erkenntnissen der Wissenschaft/Forschung) einen Menschen in seinem frühesten Entwicklungsstadium. Und da ein Mensch sich nicht zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt, stehen ihm dieselben Rechte zu wie einem Säugling, einem Teenager, einem Familienvater oder einer Rentnerin. Eine Absage an diese Art der Stammzellenforschung ist mit Blick auf diesen Sachverhalt daher also keineswegs rückwärtsgewandt oder fortschritts- und technologiefeindlich, sondern tatsächlich zutiefst liberal.

Warum die Union trotzdem auf eine (wirtschafts-liberale) FDP als Koalitionspartner angewiesen sein sollte, dürfte aber im Angesicht der sog. Herz-Jesu-Marxisten wohl selbsterklärend sein.

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