Die Analyse des Begriffs der politischen Mitte, die in diesem Format vor rund acht Jahren im September 2017 eingebracht wurde, ist ihrem wesentlichen Gehalt nach weiterhin aktuell. Allerdings hat sich über die Jahre herausgestellt, dass es ganz sinnvoll scheint, diesen Überlegungen ein wenig mehr Spezifizierung zu verleihen und sie noch stärker auf die konkrete Situation der Gegenwart hin zu formulieren.
Die politische Mitte in der Bundesrepublik – revisited
Der Begriff der „Mitte“ bezeichnet in der Bundesrepublik originär, und in Abweichung zu anderen Ländern, einen Inhalt in sich, an sich und aus sich selbst heraus: konkret geht es dabei um den zivilisatorischen Konsens des Grundgesetzes. Als solches beschreibt der zivilisatorische Konsens auch das Konzept „Antifaschismus“, namentlich als entschiedenen Anti-Totalitarismus, insofern er 1949 unter zweierlei Gesichtspunkten formuliert wurde: zum einen als Reaktion auf den Eindruck, den sowohl die überwundene Nazi-Diktatur als auch der Aufbau einer neuen Diktatur in der SBZ hinterlassen haben; zum anderen als dezidierter Ausdruck eines Gegenentwurfs zu beiden totalitären Diktaturen.
In der Bundesrepublik stellt sich die politische Mitte darum als positiv beschreibbares Zusammenkommen von drei Elementen dar:
- Prinzipien aus der christlichen Soziallehre,
- liberale Normen, sowie
- demokratische Werte.
Diese Mitte wird ihrem Ursprung nach getragen von drei republikanischen Sammlungsbewegungen, die da heißen: Christdemokratie, Freidemokratie und Sozialdemokratie. Diese Sammlungsbewegungen wiederum haben sich jeweils in eigenen Volksparteien organisiert, welche das politische Gemeinwesen von der Person her, vom Bürger her sowie vom Menschen her gestalten. Die Sammlungsbewegungen, und damit auch die von ihnen grundgelegten Volksparteien, sind nicht reduzierbar auf die generischen Ideologien des Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus; viel mehr lässt sich sagen, dass alle drei Volksparteien Aspekte aller drei generischer Ideologien in sich aufgenommen haben.
Links und rechts dieser Mitte stehen jeweils sozio-ökonomische bzw. sozio-kulturelle Ansätze, die je gesellschaftliche bzw. zivilisatorische Abweichungen anbieten. Diese Abweichungen stehen nicht notwendig im Widerspruch zum zivilisatorischen Konsens des Grundgesetzes, sie können mit zunehmendem Abstand zur politischen Mitte jedoch in Gegenentwürfe gerinnen, die von einem Teil auf ein Ganzes induzieren bzw. von einem Ganzen auf einen Teil deduzieren und damit Klassenkampf bzw. Uniformität anstreben. Der Unterschied zwischen den Extrem-punkten dieser Abweichungen vom zivilisatorischen Konsens des Grundgesetzes besteht letztlich nur noch in der chronologischen Reihenfolge des politischen Programms: Soll zuerst der Klassenkampf und dann die Uniformität kommen, oder soll es sich umgekehrt vollziehen?
Real beobachtbar war dieses Verständnis der politischen Mitte in besonderer Klarheit im „Dreiparteiensystem“ des deutschen Bundestags zwischen 1961 und 1983. Erkennbar war dieses Modell jedoch bereits ab 1949 im Zuge der sukzessiven Fokussierung des bundesdeutschen Parteiensystems, und das letzte wesentliche Element wurde durch das Godesberger Programm der SPD 1959 eingebracht.
Aufbrechen der „Mitte“ und Bildung von „Lagern“
Mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 wurde das Parteiensystem nachhaltig aufgebrochen, und auch das Hinzukommen der SED-Fortsetzung1 hat im Zuge der deutschen Wiedervereinigung Spuren hinterlassen. In der politischen Auseinandersetzung verschwand der rhetorische Bezug auf die bzw. eine politische „Mitte“ in diesem Zuge zwar nie ganz; bestimmend wurde dennoch ein anderes Verständnis des politischen Spektrums, das maßgeblich vom damaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler geprägt wurde: die Theorie der politischen „Lager“.
Der historische Ursprung der „Lagertheorie“ liegt in der polit(olog)ischen Analyse des österreichischen Parteiensystems in der Zwischenkriegszeit.2 Die Adaption des Ansatzes für die Bundesrepublik geschah in einer spezifischen, auch spezifisch partei-politischen, Situation: Ab den 1970er Jahren, also zur Zeit der sozialliberalen Koalition, lieferte das Denken in „Lagern“ einen Beitrag zum Verständnis der Konstellation zweier parteipolitischer Blöcke, in der die Union an der absoluten Mehrheit kratzt, während SPD und FDP als Koalition die Regierungsmehrheit innehaben.
Die Konzeption der „Lager“ fußt letztlich in strategischen Erwägungen sowohl innerhalb der Union als auch innerhalb der SPD. Beispielhaft dafür stehen zwei Publikationen aus der Mitte der 1970er Jahre: zum einen Erhard Epplers „Ende oder Wende“ (1975), in der der damalige Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission den Kontrast zwischen „Wertkonservatismus“ (eigentlich: Sozialismus) und „Strukturkonservatismus“ (eigentlich: Liberalismus) ins Zentrum der politischen Debatte gebracht hat; zum anderen Kurt Biedenkopfs „Fortschritt in Freiheit“ (1974), in der der damalige CDU-Generalsekretär „Umrisse einer politischen Strategie“ in der Dichotomie zwischen Liberalismus und Sozialismus ausführt. Ein konkretes Beispiel aus der Praxis lieferte zu jener Zeit die CSU mit ihrem Projekt einer „vierten Partei“, das eine bundesweite Ausdehnung der bayerischen Regionalpartei vorsah und bis hin zur (letztlich wieder zurückgenommenen) Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag führte (1976). Das Ziel dieser Erwägungen bestand letztlich darin, eine (mögliche) strukturelle Mehrheit „der anderen“ zu brechen bzw. zu verhindern und gleichzeitig selbst dauerhaft strukturell mehrheitsfähig zu sein.
Als Reaktion auf das Erscheinen der Grünen hat CDU-Generalsekretär Heiner Geißler in den 1980er Jahren schließlich einen angepassten und konkret gefassten Ansatz vorgelegt, der von einem (damals neu konstituierten) Vierparteiensystem und einer dauerhaft auf Seiten der Union stehenden FDP ausging.
Der Grundgedanke zweier „Lager“ blieb bestehen, und diese bestanden nun aus je zwei Parteien; den parteipolitischen Farben nach handeltes sich um das schwarz-gelbe sowie rot-grüne „Lager“. Die natürliche Sprachwahl würde diese „Lager“ als „links“ und „rechts“ bezeichnen, doch aufgrund des problematischen Begriffsbezugs zur Einordnung als „rechts“ im Rahmen der deutschen Geschichte etablierte sich die Rede vom „bürgerlichen Lager“ als Gegenpol zum „linken Lager“.3 Beide „Lager“ bestanden jeweils aus einer „großen“ (Volks-)Partei und einem Juniorpartner, der funktional als Mehrheitsbeschaffer dient. Die Volkspartei stand dabei in der Rolle, als „catch all“-Partei an der „Lager“-Grenze Stimmen „der anderen“ abzugreifen; der Juniorpartner hingegen hatte die Aufgabe, dem je eigenen „Lager“ einerseits Profil zu verschaffen und andererseits eine konkrete Abgrenzungsfläche zu den Extremen hin zu bieten.4
Die politische Mitte stellt im Lichte der „Lagertheorie“ nun keinen positiv zu definierenden Inhalt mehr dar, ganz im Gegenteil: Die „Mitte“ wandelt sich zur bloßen Grenze zwischen zwei „Lagern“, und dies ist nachgerade durch notwendige Verwischung und Unschärfe des inhaltlichen Profils charakterisiert.5
Dieser mutwilligen Verwässerung der politischen Mitte entspricht zugleich eine Bedeutungszunahme der politischen Ränder: Die Klassifizierung als „-extrem“ bzw. „-radikal“ (hier wiederum in Verbindung mit dem Sprachgebrauch „links-“ bzw. „rechts-„) hilft dabei, Positionen zu markieren, die außerhalb des jeweiligen „Lagers“ stehen bzw. im jeweiligen „Lager“ nicht (mehr) akzeptiert werden (dürfen). Praktiziert wurde dies vor allem im sich selbst so begreifenden „bürgerlichen Lager“, um Parteien wie die Republikaner strategisch auszugrenzen und abzudrängen. Weniger bedeutsam war diese Praxis im „linken Lager“, wie z.B. durch die Zusammenarbeit von SPD und Bündnisgrünen mit der SED-Fortsetzung sichtbar wurde und wird; bereits 1994 hatte sich in Sachsen-Anhalt eine rot-grüne Minderheitsregierung von der umbenannten DDR-Staatspartei tolerieren lassen.6
Ankerpartei und pragmatische „Mitte“
Die so gefasste „Lagertheorie“ hat letztlich die inhaltlich aus sich heraus definierte politische Mitte nie ersetzt bzw. ersetzen können, sondern lediglich überlagert (pun intended?). Zur Bundestagswahl 2005 wurde sie als Erklärungsansatz schließlich allgemein als nicht mehr zutreffend abgetan, weil kein „Lager“ mehrheitsfähig war: Eine „bürgerliche“ Koalition schied rechnerisch aus, eine „linke“ Koalition war politisch nicht möglich.7 Es musste insofern notwendig eine „lagerübergreifende“ Regierung gebildet werden: Eine „Ampel“ aus SPD, Bündnisgrünen und FDP war seitens der FDP aus inhaltlichen Gründen energisch ausgeschlossen worden; eine (damals noch so bezeichnete) „Schwampel“ aus Union, FDP und Grünen war zum damaligen Zeitpunkt bloß theoretische Spielerei ohne ernsthaften Realismus. So blieb am Ende nur die (damals noch zurecht so bezeichnete) Große Koalition aus Union und SPD.
Bis 2005 schienen sich die maßgeblichen Akteure aus beiden „Lagern“ im Großen und Ganzen an der „Lagertheorie“ orientiert zu haben; allerdings sind, v.a. in Gestalt und Rolle der FDP, wesentliche Merkmale der „alten“ Mitte geblieben: Zwischen 1991 und 2006 bildeten SPD und FDP in Rheinland-Pfalz eine sozialliberale Koalition, die nicht zur „Lagertheorie“ passte, weil sowohl FDP als auch SPD für rot-gelb statt (wie es möglich gewesen wäre) schwarz-gelb bzw. rot-grün votiert haben; das „Projekt 18“ des damaligen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle knüpfte direkt an die „alte“ Mitte an,8 insofern es dem Bestreben der FDP, nicht bloß als Wurmfortsatz der Union gesehen zu werden,9 eine konkrete Gestalt verlieh; ebenso sei auch der als „Pizza-Connection“ bezeichnete Gesprächskreis von Bundestagsabgeordneten aus Union und Bündnisgrünen zu nennen, der „lagerübergreifend“ politische Gemeinsamkeiten auslotete.
Für die Ära Merkel lässt sich schließlich konstatieren, dass die „Lagertheorie“ hier keine Bedeutung mehr besaß, sondern eine Rückkehr zur „alten“ Mitte in veränderter Gestalt stattfand, die maßgeblich jedoch weniger durch Inhalt(e) als viel mehr durch Pragmatismus geprägt war: Angela Merkel (re-)etablierte das Konzept der Ankerpartei in der politischen Praxis, und das meint eine (Volks-)Partei, gegen die keine Mehrheit möglich ist und die aus dieser Position heraus andere Parteien in die Verantwortung einbindet. Demonstriert wurde diese Konzeption durch den zweimal erfolgreichen Koalitionswechsel 2009 und 2013 (einmal von der SPD weg, einmal zur SPD hin) sowie im Zuge der aufgenommenen Sondierungsgespräche für eine „Jamaika“-Koalition 2017. Begünstigt wurde die praktische Umsetzung freilich dadurch, dass die Unionsparteien als einzige „echte“ Volksparteien verblieben sind (was am Ende allerdings auch Resultat einer Wechselwirkung sein könnte), wobei nicht vergessen werden darf, dass der gesamte parteipolische Erfolg der Ära Merkel zum Preis einer Erosion nicht nur der eigenen Wahlergebnisse, sondern auch der der Koalitionspartner erkauft wurde.10
Nach der Bundestagswahl 2021 griffen die Parteien der „Ampel“-Koalition Merkels Modell der Ankerpartei auf und führten es fort: Die SPD wandelte sich vom Juniorpartner der Ankerpartei zum Anker selbst; die FDP hatte sich nach der spektakulären Implosion von Westerwelles marktliberaler Bürgerpartei unter dem neuen Parteichef Lindner als freie demokratische Partei neu aufgestellt; bei den Bündnisgrünen waren die staatstragenden „Realos“ und Pragmatiker (wieder) in die erste Reihe getreten.
Die „Mitte“ stellte seit 2005 insofern eine Art Schnittmenge des Machbaren zwischen den pragmatisch nach Mehrheit suchenden, staatstragenden Parteien dar. Der Form nach knüpfte Merkels Modell der Ankerpartei durchaus an die Frühzeit der Bundesrepublik an;11 inhaltlich hingegen wirkte doch eher das Verständnis der „Mitte“ aus Geißlers „Lagertheorie“ fort.
Rückkehr zum „bürgerlichen“ Modell und Preisgabe der Mitte?
Die CDU-Spitze um Friedrich Merz und Carsten Linnemann scheint nun wieder eine Abkehr vom Modell der Ankerpartei bei gleichzeitiger Hinwendung zu einem revitalisierten Denken in „Lagern“ zu verfolgen, insofern die CDU explizit als „bürgerliche“ Partei neu aufgestellt wurde. Als Praxisbeispiel fügt sich hierzu auch die „bürgerliche“ Koalition der CSU mit den Freien Wählern reibungslos ein.
Zum einen bietet dieser Zug eine strategische Option, den Versuch der Ausgrenzung und Abdrängung der AfD fortzuführen, indem die AfD nicht zum „bürgerlichen Lager“ gezählt wird; die profilgebenden Juniorpartner sind dabei schließlich FDP und Freie Wähler. Auf der anderen Seite besteht hierbei jedoch eine doppelte Gefahr:
- Einerseits steht die Problematik einer letztlich vollends vollzogenen Preisgabe der politischen Mitte, insofern statt einer Wiederentdeckung der inhaltlichen Dimension die letzliche Aufgabe der pragmatischen Form steht. Zumindest die Kluft zwischen „Lager“-Rhetorik12 und Kompromissen im Regierungshandeln zeigt an, dass die Problematik sich zum echten Problem entwickeln könnte.
- Andererseits bietet dies für die AfD einen Ansatzpunkt, die „Lagertheorie“ selbst für sich zu nutzen, und das in zweierlei Hinsicht: entweder im Sinne eines (erweiterten) „rechten Lagers“, das über die (klein-)“bürgerliche“ Konzeption der Union hinausgeht; oder im Sinne einer Anknüpfung an den österreichischen Ursprung der „Lagertheorie“, insofern sie sich selbst als Anker eines „dritten Lagers“13 darstellt.
Reclaim the centre!
Notwendig erscheint vor diesem Hintergrund deswegen viel mehr eine vollständige, d.h. nicht nur pragmatische, sondern auch vollends inhaltliche Restitution der politischen Mitte im originären Sinne als Position in eigenem Recht. Mithin heißt dies also eine Rückkehr zu den Ursprüngen des Parteiensystems der Bundesrepublik Deutschland: ein Reklamieren der Prinzipien christlicher Soziallehre, der liberalen Normen und der demokratischen Werte. Dazu gehört ganz wesentlich die Debatte über den zivilisatorischen Konsens der Bundesrepublik, der im Bezug zur universalen und unverlierbaren Menschenwürde als Anker des prinzipiell beschränkten liberal-demokratischen Rechts- und Verfassungsstaates subsistiert, dem Antifaschismus als überzeugtem Anti-Totalitarismus konkrete Gestalt verleiht, und um den herum sich letztlich alle politischen Kräfte guten Willens zu positionieren haben.
Genau das kann und das muss eine Volkspartei als Ankerpartei der politischen Mitte leisten.
- Zuerst schlicht als sozialistische Einheitspartei unter anderem Namen, dann unter Einbezug von Fahnenflüchtigen aus der sozialdemokratischen Volkspartei. ↩︎
- Demnnach habe es drei Lager gegeben: 1) das christlich-konservative, 2) das sozialistisch-marxistische, sowie 3) das deutsch-nationale Lager. Alle drei Lager seien heute noch in den großen Parteien – ÖVP, SPÖ und FPÖ – sichtbar. ↩︎
- Genau hierin liegt der eigentliche Anfang einer später innerhalb der CDU (vor allem seitens der konservativen Strömung) kritisierten „Sozialdemokratisierung“ der Union: „Bürgerlich“ stellt begrifflich den Bezug zur Bourgeoisie her, der wiederum an die innermarxistische Kontroverse zwischen Sozialdemokraten und Sozialrevolutionären anknüpft; dabei sind die Sozialdemokraten insofern „bürgerlich“, als sie gemäß historisch-materialistischem Geschichtsbild vor der proletarischen Revolution, welche die Klassengegensätze aufhebt, die bürgerliche Revolution und den bürgerlichen Klassenstaat anstreben. ↩︎
- Genau hierin liegt der eigentliche Anfang einer später innerhalb der CDU (vor allem seitens der konservativen Strömung) kritisierten „Freidemokratisierung“ der Union: Juniorpartner im „bürgerlichen Lager“ war die FDP, und damit ging es um ein konkret liberales Profil; sofern dies gegenüber dem anderen „Lager“ betont werden sollte, mussten also die sog. „Liberalalas“ im Vordergrund stehen. ↩︎
- Hier hat die im Beitrag von 2017 kritisierte Rede vom „Mitte-Wischi-Waschi“ also durchaus einen berechtigten Punkt. ↩︎
- Dies wird als sog. „Magdeburger Modell“ bezeichnet. Mithin scheint dieser Modus einer Minderheitsregierung der Grund für den scharfen Widerspruch der rot-grün-roten Parteien gegenüber einer Minderheitsregierung der Union heutzutage zu sein: Das „Magdeburger Modell“ erscheint maßgebend für das rot-grün(-rot)e Verständnis von Minderheitsregierungen per se, und es beschreibt eine Art der Zusammenarbeit, bei der die Regierung sich von einem festen Kooperationspartner „tolerieren“ lässt; das bedeutet, es handelt sich um eine Art informelle Vorstufe zur „echten“ Koalition (bzw. um eine verdeckte Koalition) und nicht bloß um eine Regierungspraxis, die in jeder Sachfrage ihre Mehrheiten neu suchen muss. ↩︎
- Wobei die Unmöglichkeit weniger an inhaltlichen Widersprüchen lag und viel mehr an den Befindlichkeiten der beteiligten Personen, allen voran Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. ↩︎
- Und stellte einen scharfen programmatischen Kontrast zur später propagierten marktliberalen Bürgerpartei dar. ↩︎
- Ein Anspruch, der in der FDP insgesamt in Anknüpfung vor allem an Wolfgang Döring und Ralf Dahrendorf verfolgt wurde. ↩︎
- Das Wahlergebnis der Union 2005 lag 3,3 Prozentpunkte unter dem von 2002 und war nur 0,1 Prozentpunkt besser als Helmut Kohls desaströses Ergebnis nach 16 Regierungsjahren (wobei auch Kohl zwischen 1987 und 1998 viermal in Folge das schlechteste Unionsergebnis seit 1949 einfuhr). Zwischen 2005 und 2009 verlor die Union nochmal 1,4 Prozentpunkte. Den Zugewinn der Union von 7,7 Punkten im Jahr 2013 bezahlte vor allem die FDP durch Ausscheiden aus dem Bundestag. 2017 und 2021 hat die Union im Vergleich zur vorigen Bundestagswahl 8,6 bzw. 8,8 Prozentpunkte verloren. Erst 2025 konnte die Union wieder Stimmenanteile im Vergleich zur vorherigen Wahl gewinnen. ↩︎
- Ein Modellbeispiel hierfür wären die Bundestage von 1949 und 1953: Adenauer hatte 1949 sowohl die Option, wie realiter geschehen mit FDP und DP zu koalieren, als auch die Option einer Großen Koalition mit der SPD. 1953 bestand für die Union grundsätzliche Anschlussfähigkeit zu FDP, DP, BHE und SPD (Adenauer entschied sich für alle außer der SPD). ↩︎
- „CDU pur“, „links ist vorbei“. ↩︎
- Statt ÖVP, SPÖ und FPÖ stünden so also in Deutschland Union/FDP & ggf. FW, Rot-grün-rot und AfD. Die Wahl- und Umfrageergebnisse gäben so etwas durchaus her. ↩︎

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