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Reflektionen zur Klimadebatte

Was den öffentlichen Diskurs zur Klimadebatte angeht, bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob die Verschiebung von „Klimaerwärmung“ (oder „Erderwärmung“) hin zu „Klimawandel“ tatsächlich auch außerhalb der Diskurse der „Klimaskeptiker“ stattgefunden hat. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich habe dieses Narrativ einer Verschiebung jahrelang auch selbst als gegeben betrachtet. Doch an dem Punkt, an dem diese Annahme unterfüttert werden sollte, waren bloß „skeptische“ Stimmen zu finden, die ebendas behaupten ohne harte Belege dafür zu geben.1

Was diese vermeintliche Diskursbeobachtung jedoch zumindest auf den ersten Blick verdächtig macht, ist der Name „IPCC“ – Intergovernmental Panel on Climate Change. Gegründet 1988, scheint also spätestens in jenem Jahr in der öffentlichen Debatte die Rede vom „Klimawandel“ dominant gewesen zu sein; das heißt zumindest so dominant, dass die wichtigste politische Institution zu diesem Themenkomplex danach benannt wurde. Verstärkt wird dieser Verdacht noch durch das Narrativ der „Skeptiker“ selbst, indem nämlich diese Institution mit dem dezidierten politischen Ziel gegründet worden sein soll, weltweiten Lobbyismus zugunsten der anthropogenen Klimaerwärmung (anthropogenic global warming) zu betreiben, was eine begriffliche Kongruenz oder gar Identität von Klimawandel und Erderwärmung impliziert.

Auf der anderen Seite scheinen jedoch zumindest die us-amerikanischen „Skeptiker“ ihre Rhetorik tatsächlich verändert zu haben, indem seit ein paar Jahren weniger vom AGW (anthropogenic global warming) und viel mehr vom CAGW (catastrophic anthropogenic global warming) gesprochen wird: Dahinter steckt eine Strategie, die den akademischen Konsens von 97 Prozent der Klimaforscher zumindest rhetorisch aufbrechen soll, insofern dieser akademische Konsens politisch weder für GW (global warming) noch für AGW (anthropogenic global warming) reklamiert werden dürfe, sondern ausschließlich für CAGW (catastrophic anthropogenic global warming) reserviert sein müsse, weil eigentlich nur mehr letzteres der Meinung der „Befürworter“ entspräche. Weil aber kein Wissenschaftler vom CAGW spreche,2 bestehe aus Sicht der „Skeptiker“ gerade kein akademischer Konsens, der zugunsten der „Befürworter“ verbucht werden könne oder dürfe. Insgesamt verhält es sich so, dass CAGW eine Teilmenge von AGW sei, und AGW eine Teilmenge von GW.

Andererseits wirkt diese Rhetorik natürlich auch so, als würde hier ein geordneter Rückzug von unhaltbaren Positionen vollzogen und verschleiert.3

Anyhoo

Aufriss, Umriss und Abriss des Streitpunkts

Selbst wenn diese Beobachtung des öffentlichen Diskurses hinsichtlich „Klimawandel“ und „Klimaerwärmung“ zutreffend wäre, dann würde sie das Thema an sich doch nicht treffen: Denn die öffentliche Debatte betrifft weniger die akademische Wissenschaft an sich als viel mehr die Wissenschaftskommunikation und den Wissenschaftsjournalismus sowie deren politische Ver-Wertung (in beiderlei Wortsinn). Da gibt es durchaus, auch bei eigentlich vertrauenswürdigen Quellen und Medien, ab und an Probleme, auch und gerade bei so einem Politikum wie dem Klimawandel.

Akademisch ist die Sache hingegen recht dröge und klar: Wissenschafts- und Forschungsgeschichtlich war zuerst die Rede vom Klimawandel da; das heißt: eigentlich vom „klimatischen Wandel“, climatic change, was dann im Laufe der Zeit zu climate change geschliffen wurde. Dies deswegen, weil eine Zeit lang4 gar nicht so recht klar war, in welche Richtung sich das Klima eigentlich wandeln wird: global warming oder global cooling? Das wiederum lag daran, dass die zugehörige Theorie5 noch in beide Richtungen für Hypothesen offen war.6 Spätestens seit den 1950er Jahren hat sich aber nicht zuletzt durch empirische Messergebnisse das global warming durchgesetzt, womit zumindest ein Mythos der „Skeptiker“ nicht haltbar ist: „Die Wissenschaftler“ haben in den 1970er Jahren keine Eiszeit prognostiziert; das waren ein paar Presse-Erzeugnisse, welche akademische Außenseiterpositionen und Marginalien aufgebauscht und gepusht haben – eine Praxis, die man heute noch kennt. Und ab den 1990er Jahren war dann auch faktisch eine Art Konsens vorhanden.

Möglicherweise liegt darin der reale Kern der These von der Diskursverschiebung: Weil spätestens ab den 1990er Jahren mit der Gewinnung von einigen entscheidenden Satelliten-Messungen das global warming der akademische Standard war (dem dann politisch im Kyoto-Protokoll geantwortet wurde), wurde höchstwahrscheinlich auch entsprechend medial darüber berichtet. Dass dies die Rede vom climate change nicht aufhebt bzw. dass man später dann nicht vom global warming auf climate change „ausgewichen“ ist o.ä., wird dadurch ebenso verständlich: Akademisch ist die Klima-erwärmung der spezifische Modus des Klima-wandels, um den es geht. Und wenn nach diesem akademischen Beben in den 90ern rhetorisch wieder mehr das Phänomen an sich (Klimawandel) und weniger der spezifische Modus (Klimaerwärmung) in den Vordergrund gerückt ist, könnte das auch die Beobachtung einer Verschiebung erklären. Aber das beträfe bloß die politische bzw. journalistische Rhetorik und nicht den wissenschaftlichen Gehalt des Themas; um letzteres geht es jedoch im Kern der Debatte, denn daraus erwachsen überhaupt erst die politischen Ansprüche.

Dabei ist auch zu beachten: Der Streitpunkt liegt wissenschaftlich überhaupt nicht in der Frage, ob das Klima sich verändert. Die Diskussion auf diesen Punkt hinzuführen entspricht eher dem politischen und rhetorischen Kalkül der überwiegend nicht-akademischen „Skeptiker“ sowie, das muss man ebenfalls erwähnen, auch der untersten und unwissenschaftlich(st)en Riege der „Befürworter“. Beide Gruppen teilen sich an diesem Punkt ein sehr statisches Bild von der Welt. Ebenso gehört die Engführung der Diskussion auf monokausale Erklärungsmuster zu diesen beiden Gruppen. Dass das Klima sich von Natur aus verändert, ist ebenso eine Voraussetzung der akademischen und qua Erweiterung politischen Debatte wie die Annahme, dass es für diese Veränderung mehrere mögliche und/oder wirkliche Ursachen gibt. Die Frage dreht sich wissenschaftlich darum, warum das Klima sich aktuell verändert und welche Ursachen aktuell konkret dafür verantwortlich zeichnen.

Und da sieht es so aus, dass die momentane Veränderung anhand ihrer Qualität weder durch Sonnenaktivitäten noch durch andere „übliche Verdächtige“ (z.B. Milanković-Zyklus) adäquat erklärt bzw. restlos auf diese üblichen Ursachen reduziert werden kann, sondern mit Notwendigkeit eine weitere Ursache angenommen werden muss. Diese weitere Ursache ist die menschliche Produktion von Kohlenstoffdioxid bzw. allgemeiner: „Treibhausgasen“ in der Atmosphäre, deren Menge seit dem Beginn der Industrialisierung signifikant gestiegen ist.

Gleichzeitig muss bedacht werden: Auch wenn das Kohlenstoffdioxid als solches in der öffentlichen Debatte ganz gerne als „globaler Thermostat“ bezeichnet wird, der gemeinsam mit der Sonne (der andere „Thermostat“) das Erdklima wie bei einem Heizkörper mittel- bis langfristig steuert, so ist dieses Bild für den menschlichen Einfluss doch nicht ganz stimmig bzw. eher missverständlich. Hier haben, wenngleich nur ganz theoretisch und ausschließlich im Ansatz, die „Skeptiker“ einen Punkt, wenn sie den menschlichen Einfluss nicht übertrieben sehen wollen, weil das Bild vom „Thermostat“ bestimmte Konnotationen weckt.7

Andererseits reicht in so einem Prozess aber auch schon ein kleiner Einfluss, um etwas ins Rollen zu bringen: nämlich über das bloße Anstoßen oder Einleiten („Triggern“) von Feedback-Schleifen; danach sieht es aktuell aller Wahrscheinlichkeit nach aus. Der „anthropogene Klimawandel“ bezieht sich letztlich auf den menschlichen Fingerabdruck am Anfang von Feedback-Schleifen, ähnlich wie ein kleiner Schneeball, den jemand von einem Berghang herunterrollt, der dann aber mit zunehmender Wegstrecke immer größer, schwerer und schneller wird und als Lawine endet.8 Am Anfang solcher Feedback-Schleifen befinden wir uns aller Wahrscheinlichkeit nach, und Kohlenstoffdioxid ist dabei nicht das einzige natürliche „Treibhausgas“ bzw. der einzige natürliche Faktor: Es gibt mindestens noch Wasserdampf und Methan, und alle drei blockieren und reflektieren Hitzestrahlung in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen.

Diese jeweiligen Feedback-Schleifen laufen von innen heraus, eben natürlich ab. Aber sie werden doch anfänglich „getriggert“, um dieses Wort zu verwenden, und zwar von derjenigen Variable in diesem Gefüge, die der Mensch beeinflusst. Das sind nicht mehr bloß abstrakte Hypothesen für die Zukunft, sondern mittlerweile – nach über 120 Jahren Forschungsgeschichte – konkret messbare Vorgänge. Andererseits sind geologische Zeiträume auch länger als politische Zeiträume, womit ein Eingreifen besser möglich ist, weil es nicht um Wochen oder Monate geht, sondern es sich mehr in der Größenordnung von Jahrzehnten und Jahrhunderten abspielt.

Bestimmte Effekte sind allerdings bereits jetzt schon sichtbar: Am offensichtlichsten ercheinen dabei wohl die Netto-Verlustrate der großen Eisschilde am Nord- und Südpol, wo das Abschmelzen auf Grönland größer ist als der Zugewinn in Antarktika9 sowie der Anstieg der Meeresspiegel, der aktuell noch weniger am Schmelzwasser der Landmassen liegt, welches zum bestehenden Meeresvolumen hinzukommt, sondern mehr an der thermischen Ausdehnung der sich erwärmenden bestehenden Wassermengen, die Hitze aus der Atmosphäre absorbieren. Die politische Frage ist dabei dann auch gar nicht mal so sehr, ob und wie man diesen Klimawandel stoppen oder aufhalten kann,10 sondern es geht interessanterweise analog zur Pandemie 2020 viel mehr darum, den Prozess adäquat zu verlangsamen, nicht zuletzt um eben gerade sicherzustellen, dass den Folgen und Konsequenzen politisch adäquat begegnet werden kann. Und dafür braucht man vor allem eins: Zeit.

That being said scheint mir der grundlegende Konflikt in der gesamten Debatte darin zu liegen, dass sich der gesamte Themenkomplex primär im Bereich des Grundwertes Wahrheit abspielt und damit auch eher die ästhetischen Werte betrifft, denen im Vergleich zu den moralischen Werten und zum Grundwert Gerechtigkeit zunächst der notwendige „Ruf zur Tat“ fehlt; das kann erklären, warum sich viele politische Kräfte in Bezug auf dieses Thema trotz allem mit dem „Aktivwerden“ bzw. „Aktivismus“ schwer tun. Das liegt zu einem gewissen Grad natürlich am Wesen des Phänomens selbst: „Klima“ ist salopp ausgedrückt die „Statistik vom Wetter“, und als solches im Gegensatz zum Wetter eben weniger unmittelbar, intuitiv oder instinktiv („noetisch“) als viel mehr rational („epistemisch“ und „technisch“) zugänglich, erfahrbar und erkennbar – sofern man nicht gerade dort lebt, wo die Auswirkungen des aktuellen Klimawandels bereits offen sichtbar sind.

Der Grund für meine eigene Sensibilität dem Themenkomplex gegenüber liegt bezogen auf die natürlichen Umstände vor allem im Prinzip der Nachhaltigkeit, und bezogen auf die gesellschaftlichen Umstände im Prinzip der Solidarität, die beide insgesamt natürlich auch auf das Prinzip des Gemeinwohls verweisen. Allerdings lässt sich eine Entsprechung meiner Einschätzung auch ausgehend von den Gütern und Werten gerade des liberal-konservativen Segments im politischen Spektrum zumindest im ganz Groben zeichnen. Und das ist der eigentliche Punkt, auf den diese überaus lange Vorrede im Grunde hinsteuert.11

Prinzipielle Erwägungen

Zunächst zu den Prinzipien: Über die letzten Jahre sind mir zunehmend Probleme eines argumentativen Ansatzes aufgefallen, den ich in der Vergangenheit ebenfalls als gegeben hingenommen habe; namentlich geht es um das Argument von der menschlichen Selbstüberschätzung, das die Annahme eines menschlich verursachten Klimawandels als ungebührlichen Anthropozentrismus und übermütige Selbst-Vergottung kritisiert. Dabei handelt es sich durchaus um ein gewisses Standard-Argument gerade aus dem angelsächsischen Raum,12 und darüber wird gleichzeitig die problematische theologische Verortung der „Klima-Skeptiker“ sichtbar: Letztlich gründet dieses Argument in einer Variante des Okkasionalismus bzw. dessen physikalistischem Gegenstück: demnach besitzen entweder nur das gestaltlose Numen oder nur die blinde materielle Natur ursächliche Wirklichkeit, nicht aber der Mensch als Mensch. Als solches passt dieses Argument besser zur islamischen Theologie/Philosophie13 oder zum anglo-amerikanischen Naturalismus/Materialismus14 und weniger zu einer wirklich katholischen, scholastischen oder gar aristotelischen Perspektive: In diesem Zusammenhang steht beides im Grunde genommen mit dem Prinzip der Personalität in Konflikt, sofern das Prinzip nicht als solches gänzlich in Abrede gestellt wird. Der Mensch als Person besitzt nämlich echte, reale und wirkliche Ursächlichkeit; das zeigt sich eben empirisch in der Klimaforschung.

Durch diese Ursächlichkeit steht der Mensch immer schon in einem Verantwortungsverhältnis nicht nur zu Gott, sondern ebenso zu seiner natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt, d.h. zu seinen Mitmenschen und zur Natur, zum „Nächsten“ im individuellen, spezifischen und generischen Sinne. Was die Natur anbelangt, macht sich diese Ursächlichkeit beim Thema Klimawandel nun durchaus bemerkbar: Obwohl sich die Biosphäre, analog zum Klima, immer in Bewegung befindet und auch konstantem Wandel unterworfen ist,15 verhält es sich doch ebenfalls so, dass ihre Reaktions- und Anpassungsfähigkeit eher auf die natürlichen Abläufe und Anstöße von Veränderungen abgestimmt ist und weniger auf „anthropogene“ oder gar kataklysmische Faktoren. Soll heißen: Die aktuelle Klimaveränderung verläuft bereits messbar schneller als andere Veränderungen, und darauf ist die Biosphäre schlicht nicht eingestellt. Eine messbare Reduktion der Biodiversität ist die Folge, die dann auch Extinktion („Artensterben“) nach sich zieht, weil notwendige Anpassungen auf der Ebene der Spezies sich nicht schnell genug vollziehen.

Und auch wenn es in der Erdgeschichte bereits mehrere natürliche Massenaussterben gab,16 ist doch die Frage, ob der Mensch hier als Verantwortungsträger stehen sollte: Denn wenn es auf der Ebene des Individuums moralisch falsch ist, für die willentliche Vernichtung eines Bruders verantwortlich zu sein, obwohl der individuelle Tod etwas ganz Natürliches ist, dann ließe sich das in Analogie auch auf die Ebene der biologischen Spezies übertragen und anwenden. So scheint es sinnvoll, im Sinne der Nachhaltigkeit17 der Biosphäre zumindest so viel Zeit zum Anpassen zu geben, wie man menschen-möglich erzeugen oder besser: herauszögern kann.

Das andere große Prinzip, die Solidarität, ist demgegenüber mehr mit den sozialen Umständen verknüpft. Und da sieht es dann doch tendenziell und bereits heute schon messbar so aus, dass die (vor allem ökonomisch) Mächtigen die Mindermächtigen über-vorteilen. Was lokal, regional oder national am Beispiel vom (wohlhabenden) Vermieter und dem (sozial schwächeren) Mieter illustriert werden kann, das gibt es analog auch global. Soll heißen: Die (ökonomisch) „entwickelte“, westliche Welt ist nicht unbedingt am stärksten beeinträchtigt durch die Klimaveränderungen, sondern am ehesten die sog. „Dritte Welt“.

Ein vielleicht banal wirkendes Beispiel dazu kann bei der Illustration helfen: Durch mehr CO2 in der Atmosphäre und kombiniert mit höheren Temperaturen wachsen möglicherweise in Großbritannien mehr Feldfrüchte. Doch Großbritannien ist kein Agrarland mehr, und die echten Agrarländer in der „Dritten Welt“ kämpfen durch die sich rasch verändernden Klimabedingungen mit Dürren und Missernten. Das ist nicht nur nachteilig für die lokale und regionale Nahrungsversorgung in diesen Ländern, sondern hemmt gleichzeitig deren Stellung im Gefüge der globalen Ökonomie(n), weil es diejenige Grundlage unterminiert, auf deren Sockel sich ökonomische Entwicklung und damit auch nachhaltige Teilhabe an ökonomischem Wohlstand vollzieht. Gleichzeitig sorgt die so verminderte Perspektive auf Teilhabe am Wohlstand „zu Hause“ mittel- bis langfristig für Migrationsbewegungen, die auf der Grundlage einer Nullsummen-Mentalität vor sich gehen, weil sich der Eindruck erhärtet, Wohlstand könne nicht gänzlich neu erzeugt, sondern nur anders aufgeteilt werden. So wird, in einer Art sozio-psychologischem Feedback-Loop, essentiell eine Verteilungskampf-Mentalität erzeugt und perpetuiert, die in sich nicht (mehr) am Gemeinwohl, sondern am Eigennutz orientiert ist.18 Darum scheint es auch hier sinnvoll, den Menschen in schwächeren und ärmeren Ländern im Sinne der Solidarität zumindest so viel Zeit zur ökonomischen Entwicklung und damit Teilhabe am Wohlstand zu verschaffen, wie man herauszögern kann.

Beides begründet am Ende „Klimamaßnahmen“ wie die Drosselung von CO2-Ausstoß seitens der „entwickelten“ Länder, und das im Zweifel eben auch einseitig und ohne entsprechende Maßnahmen in „nicht entwickelten“ Ländern.

Werteorientierte Erwägungen

Das führt zu den Werten und Gütern. Die Folgen des Klimawandels sind auf absehbare Zeit vor allem anderen erstmal eins: teuer und kostspielig. Ungeachtet der politischen Reaktionen und ergriffenen Maßnahmen werden global vor allem die reicheren Länder gut damit klar- und durchkommen, und regional/national entsprechend eben die gehobenen Schichten und Milieus; also diejenigen, die es sich selbst leisten können. Damit wird unweigerlich ein Diskurs angestoßen, der sich einer (noch) intensiv(er)en Abwägung von Gütern und Werten widmet. Das betrifft letztlich sowohl materielle als auch immaterielle Werte und Güter, die ebenso mehr im Sinne eines Nullsummenspiels betrachtet werden denn unter der Rubrik von Güter-Erzeugung oder Wert-Schöpfung. Dies wiederum leistet Vorschub für eine (noch weiter gehende?) Ökonomisierung des Lebens mit zunehmendem Gewicht einer primär demographisch orientierten Argumentation, demnach vor allem „die Wirtschaft“ ihre Arbeiter braucht, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und die anfallenden Kosten zu stemmen; schließlich sind die dort produzierten Werte und Güter „handfest“ und nützlich, sowie in sich selbst wieder ökonomisch aufteilbar und nützlich ver-wertbar.

Das gefährdet gerade in den reicheren Ländern die Familie, insofern der Ruf nach flächendeckender U3-Betreuung und frühkindlicher Förderung außer Haus lauter und stärker werden wird als es bereits heute der Fall ist, weil das den ungehinderten Nachschub für „die Wirtschaft“ zur Bewältigung der Kosten sicherstellt. Schließlich sind nicht nur die Erzieher und Lehrkräfte am ökonomischen Verwertungsprozess beteiligt, sondern die Kinder können auf diese Weise auch sehr geschmeidig an diesen Prozess herangeführt werden, auch und gerade was dann die Heranführung an entsprechende Berufsfelder anbelangt.19 Gleichzeitig müssen die Arbeitnehmer weiterhin und vielleicht noch sehr viel mehr flexibel sein, was die Ehe als auf Dauer angelegte Institution direkt betrifft, die sich gegenüber einer solchen Flexibilität als Hindernis darstellt.

Ebenso betrifft dieser Prozess direkt den Lebensschutz: Abtreibung „zugunsten des Klimas“, also mit Rechtfertigung durch eine auf das Individuum heruntergerechnete „Klimabilanz“, ist heute schon im Diskurs angekommen. Zugleich gibt es einen sehr starken malthusianischen Impetus, der Abtreibung vor allem als Mittel „gegen die Überbevölkerung“ in der „Dritten Welt“ propagiert: Arme Leute sollen demnach vernichtet werden, um Armut zu bekämpfen, was infolge auch den Verteilungskampf entschärfen soll. Die Indische Union unter Indira Gandhi hat diese Strategie bereits rudimentär angewandt (wenngleich bei ihr die Zwangssterilisation im Vordergrund stand), und die VR China setzt ebenfalls auf Abtreibung als Mittel zur Armutsbekämpfung. Beide Länder haben dieses Instrument nicht aus sich selbst heraus angenommen, sondern am Vorbild der „entwickelten“ Welt adaptiert, indem sie das social engineering als Kehrseite des civil engineering über- und angenommen haben.

Und weil eben technische Lösungen für ökonomische Probleme niemals im luftleeren Raum, sondern immer auch im Verbund mit politischen und sozialen Werten und Gütern importiert bzw. exportiert werden, wäre alleine das eigentlich schon ein Grund, die Klimadebatte weder gegenüber denjenigen, die mit der richtigen Wissenschaft die „falschen“ Werte vertreten, noch gegenüber denjenigen, die mit der falschen Wissenschaft die „richtigen“ Werte vertreten, preiszugeben. Was man dafür braucht, ist ebenfalls vor allem eins: Zeit.

Denn je mehr Zeit zur Bewältigung der anfallenden Kosten zur Verfügung steht, desto kleiner ist der ökonomische Druck, der sich aufbaut, desto weniger „Sachzwänge“ und „Notwendigkeiten“ gibt es dadurch dann im Güter- und Werte-Diskurs. Das erzeugt wiederum mehr Raum und Möglichkeiten, um gemeinsam mit der richtigen Wissenschaft auch die „richtigen“ Werte zu platzieren.

Je weniger Zeit jedoch zur Bewältigung der eintretenden Folgen und anfallenden Kosten zur Verfügung steht, um so mehr wird sich der Diskurs auf „Sachzwänge“ und „Notwendigkeiten“ konzentrieren, denen dann mit etwas „Handfestem“ und „Nützlichem“ begegnet werden muss. Soll heißen: Je drängender also die Bewältigung der Folgen des aktuellen Klimawandels wird, um so größer wird der Druck auf sowie die Gefahr für die Güter von Lebensschutz, Ehe und Familie.

Im Sinne der zur Ebene der Güter und Werte gehörenden Zweck-Mittel-Rationalität scheint es darum ratsam, erstens das Thema als solches in seiner Bedeutung ernst zu nehmen und zweitens darauf hinzuarbeiten, den Druck auf die genannten Güter und Werte so gering wie möglich zu halten.

Auch das begründet am Ende „Klimamaßnahmen“, und auch dies im Zweifel einseitig und ohne entsprechende Maßnahmen „der anderen“.


  1. Was nicht heißen soll bzw. muss, dass es diese Belege nicht gibt; wobei mir eine andere Erklärung plausibel erscheint, siehe weiter unten im Text. ↩︎
  2. Was natürlich insofern absolut nicht überrascht, als es sich bei catastrophic um eine politische Kategorie handelt und nicht um eine wissenschaftliche. ↩︎
  3. Dies stünde dann analog zum sog. god of the gaps der Kreationisten, der immer dort ist, wo gerade kein missing link im Fossilbestand vermutet wird; es stünde ebenso analog zu ägyptischen Pharaonen, die immer nur strahlende Siege auf dem Schlachtfeld erringen, auch wenn die Orte jeder neuen Schlacht näher zum eigenen Regierungssitz hin rücken. ↩︎
  4. Bis etwa in die 1950er Jahre. ↩︎
  5. Kohlenstoffgase blockieren und reflektieren Hitzestrahlung zurück zur Erde; globale Bewölkung blockiert und reflektiert Hitzestrahlung zurück zur Sonne. ↩︎
  6. Die globale Bewölkung blockiert und reflektiert die Hitzestrahlung, die von der Sonne auf die Erde zukommt, in größerem Maße als die Kohlenstoffgase die Hitzestrahlung auf die Erde zurückwerfen: global cooling durch sog. global dimming.
    Kohlenstoffgase blockieren und reflektieren die Hitzestrahlung, die von der Erde selbst reflektiert wird, in größerem Maße als die Bewölkung solare Hitzestrahlung blockiert und reflektiert: global warming durch sog. „Treibhaus-Effekt“. ↩︎
  7. Essentiell geht es um die Verwechslung von Naturphänomen und Kulturprodukt, die interessanterweise im Herzen von Kreationismus und „Intelligent Design“ steht. ↩︎
  8. Dabei muss man natürlich zur Vorsicht mahnen: Auch diese Illustration hat ihre Grenzen und Unstimmigkeiten. ↩︎
  9. Auf Grönland selber ist wiederum das Abschmelzen an der Küste größer als der Zugewinn im Inselinneren, in Antarktika ist der Zugewinn im Osten noch etwas größer als das Abschmelzen im Westen. ↩︎
  10. Das ist ohnehin eigentlich schon durch die Annahme eines sich stetig wandelnden Klimas ausgeschlossen. ↩︎
  11. Das „linke“, „sozialistische“ oder „grüne“ Segment lassen wir hier einmal außen vor, das ist eine ganz andere Diskussion mit je eigenen Problemen und Schwierigkeiten. ↩︎
  12. The late great Charlton Heston nannte diese menschliche Selbstüberschätzung intoxicating vanity, also berauschende oder betäubende Eitelkeit. ↩︎
  13. Okkasionalismus in Anschluss an al-Ghazalis Skeptizismus. ↩︎
  14. Konservationismus [sic] in Anschluss an Newtons Deismus und Humes Skeptizismus. ↩︎
  15. Naturgeschichtlich wird dies durch das Paradigma der Evolution erfasst. ↩︎
  16. Am berühmtesten ist wohl das kataklysmische KT-Aussterben durch eine vermutlich kosmische Ursache, das die Vögel als einzige Entwicklungslinie der Dinosaurier überlebt haben. ↩︎
  17. Unter deren Rubrik spielt sich die Analogie auf Ebene der Spezies ab, weil eine biologische Spezies eben keine Person ist, zu der man sich wirklich solidarisch verhalten kann. ↩︎
  18. In der Konfliktforschung gibt es bereits den Ausdruck der sog. „Klimakriege“, wenngleich aktuell noch eher als Randnotiz. ↩︎
  19. Die sog. „MINT“-Fächer werden ja bereits heute schon gegenüber den Geisteswissenschaften bevorzugt, weil sie als besonders zukunftsträchtig gelten. ↩︎

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