Im ersten Teil von Christopher Nolans „Batman“-Trilogie wurde Bruce Wayne bedroht, auch und gerade als Stellvertreter für Joe Everyman. Er hat sich darum Batman als Therapie geschaffen, um mit dieser Bedrohung klarzukommen: einen anonymen Vigilanten, der am korrupten System vorbei für Gerechtigkeit sorgt und damit die Versäumnisse des Systems quasi wiedergutmacht oder -machen will.
Im zweiten Teil hat der Joker (ausschließlich) Batman bedroht, und betont, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem jeder seine moralischen Überzeugungen über Bord wirft. In diesem Punkt hatte der Joker recht: Indem Batman für den Endkampf alle Handys der Stadt angezapft hat, um sein Ziel zu erreichen, wurde er selbst zu demjenigen Bösen, das er bislang bekämpft hat; er wurde zum utilitaristischen Bösen, das eben nur so lange feste moralische Prinzipien hat, „bis es wirklich wirklich wichtig wird“. Das rechtfertigt den Titel „The Dark Knight“ – dieser Batman ist der dunkle Ritter, weil er seinen eigenen Ansprüchen nicht genügt. Diese Einsicht bewegt ihn letztlich dazu, auch die bösen Taten von Harvey Dent auf seine Kappe zu nehmen.
Im dritten Teil der Reihe bedroht nun Bane sowohl Bruce Wayne als auch Batman, und das macht ihn letztlich noch viel bedrohlicher und gefährlicher als den Joker. Bane zeigt nicht, dass die Kunstfigur bzw. das Symbol Batman sich moralisch korrumpieren lässt; ausschließlich das hat der Joker fertiggebracht (andererseits ist das auch kein Kunststück, denn die Figur des Batman ist ja in sich selbst schon eine Korruption des Rechtsstaatsprinzips zugunsten eines übergeordneten Gerechtigkeitsempfindens). Bane zeigt viel mehr, dass jeder (also auch Joe Everyman) im Grunde zum Bösen neigt. Dazu vernichtet Bane zuerst Batman (d.h. er bricht ihm das Rückgrat), um dann die Revolution ausbrechen zu lassen. Batman ist in dieser Hinsicht lediglich der Leviathan nach Hobbes, vor dem die Leute Angst haben und sich deshalb den Regeln unterwerfen. Zwischen The Dark Knight und The Dark Knight Rises ging die Funktion des Leviathan wieder auf den Staat über, der unter dem Dent Act erstmal kräftig in der Unterwelt aufgeräumt hat. Mit der Zerstörung Batmans fehlt nun der Vigilant, der das nach wie vor korrupte System (das auf einer Lüge aufbaut) retten könnte, d.h. es fehlt die Möglichkeit für einen Ersatz-Leviathan, der beim unweigerlichen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung einspringen kann. Das ist der große Verdienst Banes, der ihn über den Joker erhebt.
Das Ende der Trilogie ist übrigens kein „happy end“: Ob Bruce Wayne nun tot ist oder nicht1 – gelernt hat niemand etwas aus der Sache. Das System ist nach wie vor korrupt2, und der einzige Hoffnungsträger (Robin John Blake) entscheidet sich dagegen, weiterhin bei der Polizei für Recht und Ordnung zu sorgen, und wird selbst zum Vigilanten. Am Ende entpuppt sich auch er als böse: The Dark Knight Rises.
Genau das ist das Werk von Bane. Am Ende von The Dark Knight gibt es die Hoffnung, dass sich etwas ändert. Am Ende von The Dark Knight Rises fehlt dies. Und insofern hatte Ra’s al Ghul in Batman Begins auch Recht: Gotham City verdient recht eigentlich den Untergang, da das Gute hier keine Chance hat.
Denn was tun die Guten?
- Commissioner Gordon entscheidet sich für die Lüge (erneut und nachdem er gesehen hat, was beim ersten Mal passiert ist);
- Blake entscheidet sich für Gerechtigkeit jenseits des Gesetzes (und gibt damit sowohl dem Joker als auch Bane recht);
- Bruce Wayne hat die Ausweglosigkeit erkannt und sich deshalb ausgeklinkt (ob nun durch Tod oder Verschwinden ist dabei egal).
Damit haben wir zwei Gute, die sich dem Bösen zuwenden, und einen Guten, der einfach weggeht. Der Joker hinterließ Hoffnung auf Wahrheit und Gerechtigkeit durch das Gesetz. Bane hinterließ ebendas genannte: Gute, die sich für das Böse entscheiden oder einfach abhauen. Sollte Batman in diesen Filmen als Chiffre für das Gute stehen, dann ist Bane in der Tat „the man who broke the bat“.
Die Hoffnung, die der Joker hinterlässt, wird von Gordon am Ende von The Dark Knight formuliert:
„Because he’s the hero Gotham deserves, but not the one it needs right now. So we’ll hunt him because he can take it. Because he’s not our hero. He’s a silent guardian, a watchful protector. A dark knight.“
(Übrigens wird genau hier dem Jesus-Motiv endgültig eine Absage erteilt: Jesus wäre „the hero Gotham needs, but not the one it deserves.“)
Natürlich ist diese Hoffnung eine Schein-Hoffnung, und dekonstruiert wird sie erst im dritten Teil. Namentlich als Gefühl, erwischt worden zu sein: „Nur diese eine, klitzekleine Lüge, dann wird sich alles zum Guten wenden.“ Bane zeigt überdeutlich, dass das nicht stimmt. Und so nimmt er auch noch diesen letzten Rest an Hoffnung weg: Die utilitaristische Moral ist gänzlich als böse enttarnt. Genau diese Moral verkörpert jedoch ein Batman, der für ein höheres Ziel jenseits des Gesetzes ficht.
Am Ende der Trilogie siegt das Böse. Und das macht die drei Filme, insbesondere The Dark Knight Rises, so genial. Denn warum siegt das Böse? Weil menschengemachte Wahrheit und Gerechtigkeit niemals den eigenen Ansprüchen genügen können.
Dabei gilt zu bedenken: Ein subtiler Sieg des Bösen ist stärker als ein offener, und in allen drei Filmen hat das Böse subtil gesiegt:
- Im ersten Teil gewinnt eine selbstgebastelte Gerechtigkeit gegen eine andere. Zufällig entspricht die siegreiche selbstgebastelte Gerechtigkeit dem Empfinden der Mehrheit in Gotham bzw. im Publikum (weil es die vermeintlich menschenfreundliche Gerechtigkeit ist).
- Im zweiten Teil gewinnt die Lüge, die eine kleine Gruppe Eingeweihter über den großen Haufen an „unaufgeklärten“ Menschen setzt. Durch diese Lüge werden die Mitwisser als Mitschuldige in die Verantwortung gezogen. Auch diese Lüge ist vermeintlich menschenfreundlich, und sie streichelt natürlich das Ego der in-group, die nun über die out-group wachen kann, da sie es ist, die über Wahrheit und Unwahrheit bestimmt.
- Der dritte Teil ist insofern auch eine Katharsis im aristotelischen Sinne: Durch Selbsterkenntnis merkt der Zuschauer nun ganz offen, wie sehr er mit dem Bösen sympathisiert hat (wenn er für Batman war).
Christopher Nolans bzw. Christian Bales Batman ist eben deshalb so genial, weil er nicht nur verlieren könnte3 oder verlieren kann4, sondern weil er am Ende tatsächlich verliert. Nicht nur vorübergehend im Kampf gegen Bane, den er schlicht unterschätzt hat, sondern final, indem er dem Bösen mehrfach zum Sieg verhilft.
Fußnoten:
- Ich tendiere dazu, das Treffen am Ende als Hirngespinst Alfreds zu sehen; selbst wenn Bruce höchstpersönlich den Autopiloten des Fluggeräts repariert hat. ↩︎
- Der Vigilant wird mit einer Statue geehrt, sein echter Name wird bewusst verschwiegen. ↩︎
- Adam Wests Batman verliert nie. Die extrem geringe Chance, dass er es dennoch könnte, ist für die Schurken immer wieder Antrieb genug, sich in elaborierte und waghalsige Kunststückchen zu wagen. In der ersten Episode der TV-Serie von 1966 wird Batman vom Riddler sogar verklagt. ↩︎
- Michael Keatons Batman verliert einen Kampf gegen Michelle Pfeiffers Catwoman. Two-Face und der Riddler brechen in die Bat-Höhle ein und zerstören das Batmobil von Val Kilmers Batman. George Clooneys Batman ist ein Verlieren an sich. ↩︎

Schreibe den ersten Kommentar