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Aktion „Lies“

Bei mir auf dem Regal steht zwar schon ein Koran, aber wenn ich einen weiteren kostenlos in die Hand gedrückt bekomme – warum nicht? Ich halte es jedoch für falsch, im Zuge der Einstufung dieser Aktion der Salafisten nun eine Gleichetzung mit evangelikalen Gruppen oder gar den Zeugen Jehovas vorzunehmen. Das Verhältnis zur Gewalt ist bei den jeweiligen Gemeinschaften doch ein fundamental anderes.

Massenbekehrungen wird so eine Aktion meines Erachtens nicht auslösen können. Einmal werden die wenigsten, die so ein Buch in die Hand gedrückt bekommen, sich die Zeit nehmen und dieses Buch tatsächlich durchlesen. Sollte es tatsächlich eine unkommentierte Aussage sein, dann wird das Buch ohnehin nicht aus sich heraus verständlich sein: Der Koran ist inhaltlich nicht chronologisch strukturiert, sondern die Suren werden (in der Regel) nach der Länge des arabischen Originals geordnet. Ein erzählender Faden, der den Inhalt zugänglich machen würde, fehlt hier. Auf der anderen Seite stellt sich auch die Frage, ob eine deutsche Koran-Übersetzung überhaupt geeignet ist, um für eine Gruppe zu werben, die den Islam besonders ernstzunehmen vorgibt. Das islamische Schriftverständnis unterscheidet sich grundlegend vom christlichen, der Koran wird gelesen (arab. qur’an – „Lesung“), nicht ausgelegt. Gerade auch für eine Gruppe, die sich einem Schrift-Fundamentalismus verschrieben hat. Daher wäre es für die Sache der Salafisten wohl lohnender, sie würden kostenlose Arabischkurse veranstalten, so dass die potentiellen Neuzugänge den Koran auch im arabischen Original lesen und verstehen können. Insofern: Immer fragen, ob es sich überhaupt lohnt, diese Koran-Übersetzung zu lesen.

Vielleicht tut sich ja die Giordano-Bruno-Stiftung hervor und stellt neben jeden Salafistenstand einen eigenen Stand, auf dem das Buch „Wo bitte geht’s zu Gott?, fragte das kleine Ferkel“ verteilt wird. Am besten noch mit großflächigen Plakaten. Da kann dann gezeigt werden, ob sie es mit ihrer Aufklärung auch wirklich so ernst meinen, oder ob Anstößigkeiten nur dann praktiziert werden, wenn man sich in Sicherheit wiegen kann, dass der Gegner das friedlich erträgt. Schließlich geht es doch darum, bei religiösen Gruppen Anstoß zu erwecken: Denn wo kein Gott existiert, der ein Ferkel als unreines Tier bestimmt, da kann das Ferkel nach Gottes Bestimmung kein unreines Tier sein. Ein Lamm beispielsweise würde wieder eine christliche Symbolik aufgreifen und damit die Stoßrichtung vom Islam wegführen.

Wenn sich die Humanisten und Atheisten hingegen nicht trauen, hier eine Antwort auf die Koranverteilung zu geben, die dem lautstarken Sticheln gegen andere Glaubensgemeinschaften entspricht, und stattdessen den „Islamkritikern“ das Feld überlassen – dann werden vielleicht die Vernünftigen die Chance zu nutzen versuchen, um möglicherweise eine Diskussion über das richtige Schriftverständnis und einen geeigneten Zugang zum Koran anzustoßen. Da hülfe zu Beginn z.B. einfach nachzufragen, wie die Übersetzung der verteilten Ausgabe zustande gekommen ist. Das Gefährliche an der Aktion liegt nämlich nicht in der Koranverteilung selbst, sondern in der Multiplikation des Zugangs, den die salafistischen Gruppen zum Koran haben.

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