Nach der eindeutigen Wahlniederlage im sozialistischen Stammland, Nordrhein-Westfalen, hat der Bundeskanzler unseres Vertrauens beschlossen, den Bundespräsidenten anzuweisen, schnellstmöglich Neuwahlen anzusetzen. Dass dies aber nicht wirklich so einfach ist, wie uns der Friedenskanzler scheinbar glaubhaft machen wollte, dürfte sich mittlerweile allgemein herumgesprochen haben.
Schließlich steht diesem Vorhaben zum einen das Grundgesetz, zum anderen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1982, das ironischerweise gerade durch das Bestreben der Kanzler-Partei gefällt wurde, entgegen.
Das Grundgesetz deshalb, weil es – im Unterschied zur britischen Tradition beispielsweise – dem Kanzler weder das Recht gibt, nach eigenem Ermessen einfach dann Neuwahlen anzusetzen, wann er es für richtig hält, noch dem Bundestag selbst die Möglichkeit zugesteht, sich selbst sogar mit einer einstimmigen Entscheidung selbst aufzulösen.
Und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das gefällt wurde, nachdem sich Helmut Kohl durch eine Vertrauensfrage abwählen ließ, nur um danach von einem neu gewählten Bundestag als (legitimer) Kanzler wiedergewählt zu werden, verbietet den Mißbrauch des Artikel 68 GG. Schließlich soll ein Kanzler ja nicht so lange Neuwahlen ansetzen können, bis ihm das Ergebnis passt (so ein Wahlverfahren kann nämlich auch derbe ins Auge gehen, wie Schleswig-Holstein in der nahen Vergangenheit gezeigt hat).
Was bleibt dem Kanzler also noch, damit er das Vertrauen des Parlamentes verlieren und abdanken kann? Er hat es schließlich weder im Jahr 2001 mit der Frage um den Anti-Terror-Einsatz deutscher Soldaten, noch im Jahr 2002 mit Garantien an seinen Klienten Saddam Hussein (selbst direkt beim Volk), noch im Jahr 2004 mit scheinbar menschenunwürdigen Reformen geschafft, das Vertrauen der Deutschen oder ihrer Vertretung zu verspielen. Zu groß sind wohl die Hoffnungen, die man seit 1998 in den Medien-, den Friedens-, ja, den Kanzler des Vertrauens steckt. Einzig und allein auf einer Ebene darunter, in den Bundesländern, bröckelte das Fundament der rot-grünen Bundesregierungskoalition. Hier gingen nach und nach auch noch die letzten Bastionen des sozialistischen Gutmenschentums zu Grunde, obwohl man doch mit personalisierten und populistischen Wahlkampftaktiken alles richtig gemacht hatte.
Was dem Kanzler also zur Auflösung des Bundestags und damit zu Neuwahlen bleibt, sind zwei Dinge:
Entweder er verknüpft die Vertrauensfrage (wieder einmal) an eine umstrittene Sachfrage, welche die Koalition zum bersten bringt, was aber in der Vergangenheit wenig Früchte trug und immer wieder dazu führte, dass der Stuhl, auf dem er sitzt, doch nicht kippte, weil die Koalition dann doch lieber an der Macht bleiben wollte. Oder aber er hofft auf, nein, er engagiert einige Parlamentarier vom Kaliber eines bestimmten schleswig-holsteinschen Abgeordneten, die ihm gezielt das Vertrauen entsagen, so dass auch er vom Stuhl gekratzt und herausgetragen werden kann.
Diese ganze Taktik könnte sich aber dann als gefährlich erweisen, wenn Schröder im September wieder als Spitzenkandidat für das rote Lager antritt. Schließlich wird man da dann alles daran setzen, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen. Und ob das für jemanden, der das Vertrauen gezielt verlieren wollte, ertragreich sein kann, bleibt offen. Der „kleine Mann“ wird wohl etwas verwirrt sein ob der scheinbar entscheidungsunfähigen rot-grünen Koalition, die im einen Moment die Macht abgeben, sie im anderen Moment aber zurückhaben möchte.
Selbst dann, wenn die SPD Parallelen zum „Willy-Wahlkampf“ 1972 sehen möchte und mit ihren Paradedisziplinen wie „Außenpolitik“ und „internationale Erfolge“ aufwarten wird. Leider ist der Irak aber so wenig Beispiel für gute deutsche Ostpolitik wie Gerhard Schröder Willy Brandt ist. Und der „Wandel durch Annäherung“ hat im Iran auch nicht so recht geklappt. Darüber hinaus ist Moskau nicht Warschau und eine Militärparade zum Sieg im „Großen Vaterländischen Krieg“ auch kein Kniefall vor den Opfern des Nationalsozialismus. Was also meint Schröder, wenn er sagt, dass man der Union „das Land außenpolitisch nicht überlassen“ dürfe?
Aber wahrscheinlich erübrigt sich diese Frage (wie auch andere zum Wahlkampfprogramm) in jedem Fall, da der September wohl auch die Wende auf dem Bundesparkett bringen dürfte. Selbst die SPD mitsamt Vertrauenskanzler plus Kabinett und Koalitionspartner dürften das so sehen. Denn wenn man im September wirklich an einem erneuten Regierungsauftrag interessiert ist, warum gibt man die Verantwortung dann frühzeitig ab, weil man kein Fundament mehr sieht? In den nächsten Monaten ist es wohl unwahrscheinlich, dass sich die Situation im Bundesrat, der „strukturelle Patt“ zwischen Union und Koalition, ändert, so dass in diesem Fall – einen Sieg der SPD bei der Bundestagswahl vorausgesetzt – nach der Wahl gleich vor der Wahl wäre. Und vor diesem Hintergrund wäre es für die Genossen doch um einiges billiger und weniger stressig, wenn man das mit dem Wahlkampf lieber gleich lassen würde, oder nicht?

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