Wir, das Volk von Europa, haben uns – auch ohne einen Gott – eine Verfassung gegeben, um unsere geliebte Union zu stärken und sie zu neuem Glanze auf der Bühne der Weltpolitik zu führen. Wir, das Volk von Europa, verdienen auch unseren Platz an der Sonne.
So oder ähnlich haben es sich die Schröders, Verheugens und wie sie alle heißen wohl vorgestellt. Ein vereinigtes Europa, um dem bösen Ami eins auszuwischen und, natürlich, um auf der Bühne der Weltpolitik in jenem fulminanten Orchester der internationalen Beziehungen wieder die erste Geige spielen zu dürfen.
Dabei haben sie eines nicht bedacht: will sich das Volk wirklich diese Verfassung geben?
In Frankreich, einem Land, das per Referendum darüber abstimmt, sind die Gegner der Verfassung immer stärker auf dem Vormarsch (neuerdings sogar, obwohl oder gerade weil ihr Staatspräsident für die Verfassung wirbt), während in Deutschland das Volk stumm bleibt. Soll heißen: stumm bleiben soll. Denn sonst wäre ja das ganze, schön inszenierte Prozedere zur Ratifizierung in Gefahr, wenn nicht genau das dabei herauskäme, was sich die klugen Köpfe in Brüssel versprechen. Und da ist es doch wohl besser, man entscheidet selbst über ein solch wichtiges Dokument wie die EU-Verfassung, als dass man sich am Ende noch mit seinem Volk vor ganz Europa blamieren muss.
Selbst der Vorstoß von Peter Gauweiler, der ein Referendum fordert, da die Ratifizierung der EU-Verfassung die Kompetenzen des Bundesparlaments übersteige, löste keine kontroverse Debatte über das Für und Wider stärkerer plebiszitärer Elemente im Grundgesetz aus.
Vielleicht …
… weil man so etwas kurz vor solch einem historischen Ereignis wie der Ablehnung des Vertrages durch das französische Volk (man erinnert sich hierbei vielleicht noch an den EVG-Vertrag, der auch am Veto Frankreichs scheiterte) nicht gebrauchen kann.
Vielleicht …
… weil man sich vor der blinden Wut des eigenen Volkes fürchtet. Schließlich wird ein Ausbau direktdemokratischer Elemente im Grundgesetz nicht selten genug mit Verweisen auf die Weimarer Republik negiert – und wir wissen ja schließlich alle, dass Adolf Hitler im März 1933 durch einen Volksentscheid zum Führer gewählt wurde und nicht etwa durch ein Parlament zum Reichskanzler.
Vielleicht …
… weil man sich ob der immer größer werdenden Macht Brüssels wenigstens eine Domäne, nämlich die alleinige Herrschaft über den legislativen Bereich im eigenen Staat, sichern möchte – analog zu den deutschen Bundesländern, die sich in einer immer zentralistischer werdenden Bundesrepublik an die einzige Domäne, die ihnen ihrerseits bleibt, nämlich die Bildungspolitik, klammern und so einem einheitlichen deutschen Schulabschluss entgegenstehen. Und wie die Länder ein Bildungsgefälle innerhalb Deutschlands begünstigen, so begünstigt auch die Bundesrepublik ein demokratietechnisches Gefälle innerhalb der EU: während andere Länder ihr Volk zu dieser Frage direkt abstimmen lassen, dürfen in Deutschland diejenigen darüber entscheiden, die man zu einer anderen Zeit aufgrund banaler Versprechungen in die Regierungsverantwortung schickte – zu einer Zeit, als man von so etwas wie einer gemeinsamen europäischen Verfassung nur im Geschichts- und Politikunterricht, nicht aber im öffentlichen Bewusstsein sprach.
Vielleicht …
… aber auch einfach nur deshalb, weil der Vorstoß zur falschen Zeit getan wurde. Schließlich war Papstwahl und da waren alle damit beschäftigt, dieses Ereignis von vorn bis hinten zu durchleuchten. Und neben den vielen Forderungen nach mehr Demokratie in der Kirche war und ist eben kein Platz für eine Debatte über mehr Demokratie in Deutschland oder in der EU.
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