Die Nachricht über den neuen Papst, den früheren Kardinal Josef Ratzinger aus Marktl am Inn, hat wohl einige überrascht. Andere waren enttäuscht und wieder andere haben alle Hoffnung verloren – oder neue Hoffnung geschöpft.
“Ich gebe dem neuen Papst eine Chance”
Hans Küng zeigte sich von der Seite, wie wir ihn kennen: kritisch. Laut AP hat er sich “enttäuscht über die Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum neuen Papst geäußert”. Aber da er ja auch ein Christ ist, hat der liebe Hans beschlossen, dem neuen Papst Benedikt XVI. doch “eine Chance [zu] geben” und ihn nicht sofort zu verurteilen. Wie gnädig von ihm. Klingt ganz so, als vergebe er Benedikt XVI. seine große Schuld, nun zum Pontifex gewählt worden zu sein. Hoffen wir mal nicht für ihn, dass er in nächster Zeit noch öfter interviewt wird.
“Ich will mehr Ökumene”
Margot Käßmann, ihres Zeichens lutheranische Landesbischöfin, hingegen hofft auf “mehr Ökumene”. Sie meinte dann auch, “immerhin komme das neue Oberhaupt der katholischen Kirche aus dem Land der Reformation”. Und wenn schon der alte Luther es nicht gebacken bekam, die Ökumene zu bewahren bzw. wiederherzustellen, dann soll es nun der Bayer richten. Und, wer weiß, vielleicht hört nach dem Papst nun auch der Patriarch von Moskau, Alexej II., diese Forderung und gibt sich weltoffener und ökumenischer. Denn wir wissen alle: die Beendigung des fast 500 Jahre währenden Lehrstreits zwischen Katholiken und Protestanten, wie man nun zur Erlösung gelange, unter dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. im Jahre 1999 war ein Anfang – und zwar ein so kleiner, dass es gar nicht wert ist, ihn überhaupt zu erwähnen.
“Oh, mein Gott!”
Die streng säkulare taz hingegen gibt sich auf dem Titelblatt ihrer Ausgabe vom 20.04.2005 recht lakonisch. Und würde in der linken oberen Ecke nicht der Hinweis auf die Papstwahl stehen, so könnte man zu der Annahme verleitet werden, sie habe nun – wenn auch mit etwas Verspätung – selbst gemerkt, wer mittlerweile wieder in der Bundesregierung sitzt. Durchblättert man die Ausgabe aber, so findet sich ein recht aggressiver Artikel, der wohl eines gewissen Bewusstseins der eigenen Niederlage nicht völlig entbehren kann. Kardinal Ratzinger habe demnach mit dieser Wahl “trotz allem die Sensation klar gemacht”, er sei nun am Ende seines “Durchmarsch[es]“. Ob mit letzterem wohl nicht eher ein gewisser Neid mitschwingt, dass Rudi Dutschke seinen “Marsch durch die Institutionen” nicht so weit gebracht hat – wer weiß. Fest steht jedenfalls, dass Benedikt XVI. auch heute noch “für einen gewissen Aufbruch” in der Kirche steht. Und zwar für einen Aufbruch gegen das, wofür die taz eintritt.
Einheit der Christen angemahnt
Wie n-tv.de schreibt, habe Benedikt XVI. in seiner ersten Predigt die Einheit der Christen angemahnt:
„Der Nachfolger des Petrus übernimmt die vorrangige Verpflichtung, mit aller Kraft an der Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Einheit aller zu arbeiten, die Christus folgen“, sagte der neue Pontifex unter dem prächtigen Freskengewölbe.
Da müsste sich Frau Käßmann ja mächtig freuen.
Staatsmänner taten auch ihre Reaktionen kund, beispielsweise George W. Bush, der ihn als Mann mit “großer Weisheit und Erfahrung” bezeichnete, oder auch der polnische Staatsräsident Kwasniewski, der beteuerte, dass die Wahl eines Deutschen Vertrauen und Hoffnung in Polen weckte. Oder eben auch die chinesische Regierung, die neben Glückwünschen gleich auch noch ein paar Forderungen mitschickte. Muss wohl vom Porto her billiger gewesen sein.
Und, wie man fürderhin lesen kann:
Bei der Abstimmung gab es nach Angaben des Wiener Erzbischofs, Kardinal Christoph Schönborn, keinen Richtungsstreit zwischen konservativen und liberalen Kräften. „Diese Kategorien treffen einfach nicht zu „, sagte Schönborn im Österreichischen Fernsehen.
Aus die Maus mit Prognosen über Wahlkämpfe zwischen Konservativen und Progressiven. Der Heilige Geist denkt eben nicht in solch kleinlichen Kategorien.
Pressespiegel national
N24.de gibt einen äußerst interessanten Pressespiegel über die Reaktionen der jeweiligen Blätter im Bund. Einige Auszüge:
„Leipziger Volkszeitung“: Keine Reformen zu erwarten
„Mit dem ersten deutschen Papst seit 482 Jahren haben die Purpurträger vornehmlich eine innerkirchliche Entscheidung getroffen. Von der Basis angemahnte Reformen wird es in seiner Amtszeit nicht geben. Als Präfekt der Glaubenskongregation steht er für eine feste, oft dogmatische theologische Linie. So dürfte Benedikt der 16. in erster Linie ein Papst der Rationalität sein. Eine Konzentration auf die Amtsgeschäfte wird ihm aber wenig Ruhe bescheren. Die Probleme bleiben: Priestermangel speziell in Europa, Zölibat, Kirchenaustritte, bis hin zum gemeinsamen Abendmahl von Katholiken und Protestanten. Sie waren bereits zu Zeiten Johannes Paul des Zweiten, mit dem er stets auf einer Wellenlänge lag, auf seinem Tisch. Jetzt von ihm grundlegend neue Sichtweisen zu erleben, käme einem Wunder gleich.“
Zum einen ist es interessant zu lesen, wie man ob der durchschimmernden Abneigung gegen diesen Papst den Schein der Neutralität zu wahren versucht, zum anderen ist es noch interessanter, dass das “gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten” als “Problem” bezeichnet wird. Ich dachte immer, das Problem wäre, dass dies verboten sei.
„Landeszeitung“:
„Der Heilige Geist richtet sich nicht nach dem Trend“, konstatiert die „Landeszeitung“ aus Lüneburg: „Sonst hätten die Kardinäle des Konklave – nach katholischer Vorstellung vom Heiligen Geist beseelt – kaum Joseph Ratzinger zum Papst gewählt. Der erste Deutsche auf dem Stuhl Petri seit über 480 Jahren ist ein deutliches Signal: Die Katholische Kirche verweigert sich Forderungen nach einem inneren Wandel, wie sie gerade von Laien-Organisationen oft gestellt werden. So hätte der Trend für einen Papst aus Südamerika, Asien oder Afrika gesprochen. Dort leben längst mehr Katholiken als in Europa. Doch der alte Kontinent war im Konklave überrepräsentiert. Die jüngsten Töchter der Mutter Rom müssen noch warten.“
Der erste Satz des Zitats trifft absolut ins Schwarze. Wozu soll man sich Trends in dieser Sache ergeben? Sie ändern doch sowieso nichts.
Und die “jüngste Tochter” Roms wird auch noch ihre Sternstunden erleben. Noch ist es aber wohl zu früh.
„Badische Neueste Nachrichten“: Dem Neuen eine Chance geben
„Das neue Amt fordert mehr als nur die Kompetenz, die der messerscharf analysierende Theologe bislang als Mann im Hintergrund pflegen konnte. Solche Emotionen, die Benedikt dem 16. bereits gestern auf dem Petersplatz zuflogen, könnten dazu führen, dass der so nüchtern scheinende Katholik als 265. Papst der Kirchengeschichte versöhnlichere Töne anschlägt als in seiner früheren Funktion. Gerade auf festem Fundament lässt sich die kirchenpolitische Öffnung mit Augenmaß vorbereiten. Vielleicht lässt auch die kritische deutsche Öffentlichkeit ‚ihrem‘ Papst diese Chance und kann nach und nach ein Stück jener Begeisterung teilen, die gestern auf dem Petersplatz in Rom spürbar wurde. Es wäre zu wünschen.“
Absolut.
Pressespiegel international
Neben dem nationalen hat der Internetauftritt des Nachrichtensenders aber noch einen internationalen Pressespiegel erstellt. Auszüge:
„L’Unità“: Nicht der Zukunft zugewandt
Zur Wahl von Kardinal Ratzinger zum neuen Papst Benedikt XVI. schreibt die linksgerichtete römische Zeitung: „Er war Johannes Paul II. sehr nah. Aber er ist nicht Johannes Paul II.. Er hat blaue Augen, ein schüchternes Lächeln und die weißen Haare, aber statt Wärme flößt er eher Respekt ein. Seit gestern um 17.50 Uhr ist an die Stelle der leidenden Sanftheit des polnischen Papstes der freundliche und strenge Blick des deutschen Papstes gerückt: Joseph Ratzinger. (…) Diese Wahl des Konklave ist glaubwürdig, aber vorsichtig. Es ist eine Entscheidung im Zeichen der Kontinuität, ohne sich zu weit in Richtung Zukunft auszurichten. Oder besser noch: Fast gar nicht. Ein Name, mit dem das Kardinalskollegium – in einem Moment, in dem es die Gefahr einer Spaltung sah – kein Risiko eingehen wollte. Eine so schnelle Wahl beim vierten Wahlgang ist ein Zeichen von Weisheit und Vorsicht.“
Vielleicht ist sie aber auch ein Zeichen dafür, dass das Konklave ganz genau hingehört hat, als der Heilige Geist die Kardinäle beseelte.
„The Independent“: Wahl verärgert viele
„Die Wahl einer so reaktionären Gestalt wird auch viele außerhalb der Kirche verärgern. In zentralen Fragen wie der Verbreitung von Aids in Afrika und Asien, der Unterdrückung von Frauen in der Dritten Welt oder der Position von Homosexuellen in der Gesellschaft hat die katholische Kirche ihre Stimme erhoben und damit großen Schaden verursacht. Papst Benedikt XVI. mag das Charisma von Johannes Paul fehlen, aber er wird wahrscheinlich genauso wie dieser seine politischen Ansichten von sich geben und sich traurigerweise mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit auf die falsche Seite schlagen. Der weiße Rauch aus dem Schornstein des Vatikans hat eine schnelle Entscheidung bekannt gegeben – und die Fortsetzung des Krieges des Vatikans mit der modernen Welt.“
Tja – in zentralen Fragen wie der Verbreitung von AIDS in Afrika und Asien oder der Unterdrückung von Frauen in der Dritten Welt hat die internationale Staatengemeinschaft es verpasst, ihre Stimme überhaupt ernsthaft zu erheben – und damit noch mehr Schaden angerichtet. Das HI-Virus verbreitet sich nämlich nicht primär dadurch, dass der Papst die Kondome verboten hat, sondern deshalb, weil Promiskuität oder Zwangsprostitution als etwas völlig Normales erscheinen, das man scheinbar kritiklos hinnimmt.
„Politiken“: So reaktionär wie nur möglich
Die liberale dänische Tageszeitung meint: „Es kam wie erwartet und wie befürchtet. Die Entscheidung der 115 Kardinäle für Joseph Ratzinger als neuen Bischof von Rom und Papst für alle Katholiken auf der Welt war denkbar klar und so reaktionär wie überhaupt nur möglich. (…) Als Papst Johannes Paul II. starb, ging seine Partnerschaft mit Ratzinger als die von zwei großen theologischen Rückschrittlern über ein Vierteljahrhundert zuende. Der polnische Papst war das milde, charismatische und medienbewusste Antlitz der Kirche nach außen. Aber der deutsche Kardinal war der knochenharte Denker, der von der Kurie in Rom als Basis dafür sorgte, dass in den Samthandschuhen eine eiserne Faust steckte. Und jetzt, da die Partnerschaft beendet ist, erweist sich, dass die ultrakonservative Linie weitergeführt wird. Das ist ein globales Problem. (…) Die katholische Kirche in Europa befindet sich in einem gewaltigen Schrumpfungsprozess. Der deutsche Papst wird dafür sorgen, dass diese Entwicklung anhält.“
Joa – es kam wie erwartet (und auch befürchtet). Die Reaktion der Medienmasse auf den neuen Papst Benedikt XVI. war denkbar klar und so reaktionär wie überhaupt nur möglich: Anstatt sich einmal die Botschaft über die Gefahren des Relativismus zu Herzen zu nehmen und sich daraufhin gegebenenfalls selbst zu ändern, fordert man von den Gegnern, sich anzupassen.
Die katholische Kirche in Europa befindet sich vielleicht in einem Schrumpfungsprozess. Aber bei den als weltoffen und progressiv geltenden Protestanten ist es noch viel düsterer.
“Is’ doch kein’ Demokratie!”
In einem Interview mit der Netzeitung am 21. April wirft ein spürbar verärgerter Eugen Drewermann der Kirche eine obrigkeitsstaatliche Haltung vor. Man habe schließlich “Gott nicht als Eigentum, und jeder, der ihn sucht, muss in gewissem Sinne aus seiner Konfession herauswachsen”, was dann im Klartext bedeutet, dass jeder, der sich zu Gott bekennt, aus diesem Bekenntnis “herauswachsen” muss – in gewissem Sinne versteht sich natürlich. Andernfalls könnte man ja dahinter kommen, dass diese Aussage inhaltlich sehr schwach bestückt ist. Und dass selbst der Papst per se nicht unfehlbar ist, sondern nur, wenn er ex cathedra spricht (wie es das letzte Mal im Jahre 1950 der Fall war), ignoriert Drewermann bei dieser Kritik ebenfalls par excellance.
“Wir sind Weltmeister!”
Einen ganz originellen, patriotischen und mittlerweile wohl jedem bekannten Aufmacher brachten die Redakteure der BILD-Zeitung aus den Tiefen ihrer geniereichen Köpfe hervor. “Wir sind Papst!“, titelt sie und degradiert so den Stellvertreter Christi und Nachfolger Petri auf das Niveau eines Sportereignisses. Dass sie dabei aber übersieht, dass lediglich 34% der Deutschen überhaupt katholisch getauft sind, sei ihr verziehen. Wie würde es denn schließlich aussehen, wenn man titelte “34% unserer Bevölkerung sind Papst”?
“Vom Tellerwäscher zum Millionär”
Analog zur BILD-Schlagzeile überraschte das britische Gegenstück namens “The Sun” mit einem Prachtstück an journalistischer Enthüllungskunst: man hatte die Biographie von Josef Kardinal Ratzinger gelesen und machte nun auf die Tatsache aufmerksam, dass “der Rottweiler Gottes” – wie ihn andere Blätter auf der Insel titulierten – in seiner Jugend per Gesetz dazu gezwungen war, in der nationalsozialistischen Jugendgemeinschaft, der “Hitler-Jugend” (das prähistorische Pendant zur FDJ in der DDR), Mitglied zu sein. Aber was bitte erwartet man von den Briten in Bezug auf die Papstwahl? Dass sie sich – als Anglikaner, die sich im 16. Jahrhundert von der katholischen Kirche abgespalten haben – in ihrer eigenen Geschichte suhlen und es breit treten, dass ihre Staatskirche auf der Sexualität eines früheren Monarchen basiert? Nicht in diesem Jahrtausend …
Niedlich
Web.de hingegen kann sich wohl bereits vollends mit dem neuen Papst als “heiligem Vater” identifizieren:

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